Ich glaube die 60iger kommen zurück. Weil es in keinem Bereich linear verlaufende Trends gibt und es für jeden Trend auch einen Gegentrend gibt, fände ich es albern zu behaupten, wir ALLE würden die Sechziger wiederbeleben. Außerdem verliefen die Sechziger nicht in allen Ländern gleich. Es gibt aber schon evidente Merkmale mit den Swinging Sixties: die Kultband Beatles, die Rolling Stones, Bob Dylan, Janis Joplin und viele, viele mehr. Im Bereich der Mode dominierten die fast schon psychedelisch wirkenden Tapetenmuster und manch eine Frau trug neuerdings Hosen statt den wadenlangen Röcken und Schuhen mit Absatz.
Meine subjektive Einschätzung ist es, dass mancher Lebensstil in der jüngsten Vergangenheit mit den Idealen der 1950iger-Jahre vergleichbar ist. Revolutionäre Aufstände gab es wenig. Es war eher ruhig in Mittel- und Westeuropa. Vielleicht war es sogar in ganz Europa überschaubar. Familienidylle, Self-Care und Sicherheit waren wichtiger als politische Revolten oder Emanzipation. Die Frage wäre sowieso wovon oder wofür. Wohlstand und Freiheiten waren ja schon gegeben. Es war irgendwie bieder. Selbst der Lifeball in Wien oder Dragqueen-Shows mit Heidi Klum waren kein Aufreger.
Die Coronakrise stellt die Welt auf den Kopf. Plötzlich wurde aus einem freiwilligen Leben auf der Couch eine staatliche Verordnung. Ablenkungen und Spaßveranstaltungen sind plötzlich nicht mehr möglich. Kein Holiday on Ice, keine Bundesliga, kein Festival. Me, I and Myself. Oder: meine kleine Familie und ich. Das macht was mit einem. Ich denke es wird Jene geben die in ihrem Kokon förmlich aufblühen und genauso wird es einen spürbaren Befreiungsdrang geben.
Im Bereich der Mode und beim Interior hatten die Sechziger bereits angeklopft. Es geht weiter. Und es könnte vielleicht so aussehen wie anschließend beschrieben (keine Utopie, keine Dystopie, einfach ein Gschicht´ l):
Vor Corona (X v. Cr.) trugen Männer wie Frauen bevorzugt Röhrenjeans. Die karottenförmigen Hosen, getragen auch von Frauen mit breitem Becken und großen Brüsten, erweckten den Eindruck man wollte Obelix gendern. Heute sind Schlaghosen wieder groß in Mode. Sie haben eine ausgefallene Passform und erinnern uns an den Mindestabstand den wir „Social Distancing“ nannten. Die Glockhosen setzten sich sowohl in der Herren-, als auch in der Damenmode durch.
Die Forderung nach einer gendergerechten Sprache hatte sich erübrigt. Eine Mehrheit in der Gesellschaft akzeptiert, dass es nun einmal DER Virus ist. Ein Hinweis auf eine geschlechterinklusive Begriffsverwendung ist unerheblich da man ohnehin erfahren musste, dass die Ansteckung keine Klassenunterschiede und keine Bevorzugung von Mann oder Frau kennt.
Mann und Frau, stehen nicht im Wettkampf der Geschlechter. „Make Love, No War!“ Nach einer längeren Zeit der Isolation in den ehemals vielzähligen Singlehaushalten, war selbst der biederste Single, einer danach folgenden Veranstaltung mit Gruppensex nicht mehr abgeneigt. – Getreu dem Nummer-1-Chart-Hit der Rolling Stones: (I Can Get No) Satisfaction.
Die leistungswillige Gesellschaft der Selbstoptimierer, in der vergangenen Dekade, veränderte sich während der Isolationszeit maßgeblich. Während die frühere Jugend kaum noch Alkohol trank (Generation X), etablierte sich in Quarantänezeiten ein solides „Daydrinking“. Es war plötzlich nicht mehr verpönt, den einen oder anderen Eierlikör zum Sahnetörtchen zu servieren. Verstaubte Alkohlika wurden aus den Regalen wieder hervorgeholt und Rezepte der Amercian Cocktail Bar wurden zu Hause einstudiert. Was wäre außerdem ein guter alter James-Bond-Film ohne den eigenen „gerührt, aber nicht geschüttelt“-Drink.



Kurzweilig galt CBD Konsum noch als Attitüde. Der Ersatzstoff für Marihuana wollte cool wirken und sollte Zukunftsängste oder Schlaflosigkeit abfedern. Schnell aber waren sich Regierungsmitglieder in ganz Europa einig, dass der Legalisierung von Cannabis nichts im Wege steht. Nebenbei wurde der Anbau der Cannabispflanze auch als etwaige Chance erkannt um einer regionalen Textilindustrie die Weichen zu stellen.



Es kamen weitere Rauschmittel und halluzinogene Substanzen – die als Abfallprodukte der Pharmaforschung galten – in den Umlauf. Dies sei jedoch eine Randerscheinung. Ein viel augenscheinlicherer Vergleich mit den 1960ern sind die Frisuren. Der Verdruss über das plötzliche Fehlen von Friseurbesuchen führte zu einer Welle von Selbstversuchen. Ironischerweise trug man wieder Topffrisuren, ähnlich wie man sie zum Beispiel von den Beatles kennt. Ebenso verbreitet ist die Langhaarmähne, alle Arten von Gesichtsbärten sowie auch Glattrasuren. Jeder wie er will. Vorschriftsmäßige Mode ist out. Frauen tragen die hochgeschlossenen Blusen- oder Rollkragen, Pullover in Übergröße und Miniröcke. Eine Mischung aus Provokation, Kontrast und Freizügigkeit.
Politisch lassen sich auch gute Vergleiche ziehen. In Österreich gab es nach der Nationalratswahl im Jahr 1966 die erste Alleinregierung in der 2. Republik! Die türkis-grüne Regierung der neuen Zwanziger ist zwar de facto eine Koalition aber unter vorgehaltener Hand spricht man von der Kanzler-Kurz-Regierung. So wie auch in den Sechzigern des vorherigen Jahrhunderts (Sozialdemokraten unter Bruno Kreisky) findet auch heute eine Neuorientierung der roten Partei statt.
X n. Cr. wurde außerdem die erweiterte Grundsicherung (eine Umschreibung für das bedingungslose Grundeinkommen) eingeführt und eine Art Share Economy etabliert. Die Rückkehr zur Regionalität war schon längere Zeit (auch vor Corona) erwünscht. Die Schattenseiten dieser Zeitwende sind jedoch die wiedereingeführten Grenzen, Zollbestimmungen und Reisebeschränkungen. Es gilt daher die Freiheit in der eigenen Kapsel zu erforschen. Nicht umsonst fingen viele Menschen an selber Musik zu machen.
Mich würde interessieren welcher Hit sich für ein abendliches Balkonkonzert am besten eignet? Ich biete Live-Percusions mit meiner umgedrehten Blumenvase an! 🙂
Hier noch ein paar top Hits der 1960iger: