Annika ist Ende Zwanzig, nicht schwanger und auch nicht verlobt. Sie hat einen Freund, aber den will sie auf keinen Fall heiraten. Sie will sich am liebsten trennen, aber sie weiß noch nicht wie. Er ist ihr zu langweilig. Sie findet ihn sogar peinlich, aber möchte es ihm nicht sagen. Sie will ihn auch nicht anlügen, davonlaufen, oder ihn um die Ecke bringen. Für einen Moment dachte sie sogar darüber nach, aber Annika würde so etwas nie tun.
Annika hat ein sehr vorbildliches Benehmen und deshalb wird ihr sofort blind vertraut. Derzeit passt sie auf den Wellensittich ihrer Nachbarn auf, während diese verreist sind und das obwohl Annika keinerlei Erfahrung in der Tierpflege hat. Sie traute sich nur nicht ihre Nachbarn zurück zu weisen – so wie sie es auch bei ihrem Freund bislang nicht konnte.
Sie fragte sich selbst vermehrt wie es passieren konnte, dass eine talentierte junge Frau wie sie es war so passiv durch das Leben ging. Aus ihren Romanen wusste sie, dass Menschen die mit ihrer Zeit verschwenderisch umgingen eines Tages eine Lektion erhielten. Entweder wurden ihre Romanhelden von einem schweren Schicksal getroffen, oder sie rasteten aus. In jedem Fall gab es einen Wendepunkt der Alles auf den Kopf stellte. Auf diesen Wendepunkt wartete sie sehnsüchtig. Gleichzeitig hatte sie auch immer etwas Angst davor. Sollte Sie dem Schicksal zuvor kommen und in Eigenregie handeln, fragte sie sich seit einiger Zeit.
Zur Vorbereitung auf den Supergau wollte sie sich darin üben zu eskalieren. Woraufhin sie eine Freundin bat mit ihr tanzen zu gehen. Das war für Annikas beste Freundin Lara kein Problem, im Gegenteil, sie liebt es zu tanzen. Sie tanzt Walzer, Salsa und sogar ein wenig Tango. Hätte sie geahnt, dass Annika mit ihr in eine Art Club Berghain gehen würde, wäre sie definitiv zu Hause geblieben. Lara war sichtlich irritiert von der schmuddeligen Umgebung, dem Gestank und dem Joint in ihrer Hand. Alles ging so schnell.
Am nächsten Morgen war ebenso bald klar, dass dies noch kein Durchbruch war. Wenn überhaupt, wurde es zum Durchfall. Wahrscheinlich gab es keinen einzigen Menschen auf diesem Planeten der durch berauschende Partys plötzlich die große Erleuchtung erfuhr. Verborgene Sehnsüchte mögen näher an die Oberfläche rücken, werden aber anstelle konstruktiver Intuitionen schnell zu leichtsinnigen Impulsen. Wie sollte es auch anders kommen als zu einem bitteren Erwachen in Begleitung eines noch vor sich hin schnarchenden …. Menschen neben ihr. Er hatte lange Haare, aber der Mensch neben ihr war fix ein Mann.
Es war Zeit die Helligkeit des Tages zu akzeptieren und den Wellensittich zu füttern.
Wie geht es weiter? 🤷♀️🙂